#100/2016 Minoritäre Allianzen
25 Jahre STIMME & 100. Ausgabe
Die Schaffung von minoritären Allianzen war der Gründungsgedanke der Initiative Minderheiten, die vor 25 Jahren von Aktivist_innen aus unterschiedlichen minorisierten Gruppen in die Welt gerufen wurde. Der sehr breit interpretierte Minderheitenbegriff, der die Initiative auf ihrem Weg begleiten sollte, war für diese Zeit eine Provokation, erzählt das Gründungsmitglied Vladimir Wakounig. Das Projekt verfolgt bis heute die Strategie, durch Allianzen gemeinsame gesellschaftspolitische Anliegen zu identifizieren und durchzusetzen. Als mediale Plattform für Allianzen bietet die STIMME Raum zum Interagieren, Sammeln von unterschiedlichen Positionen und Kundtun von Forderungen. Unsere 100. Ausgabe widmen wir dem Gründungsgedanken.
„Allianz heißt nicht das Aufgeben eigener (…) Forderungen, ebensowenig die volle Identifikation mit allen Anliegen des Bündnispartners; sie verlangt keine Kraftvergeudung für die Zwecke anderer, bedeutet auch nicht Prestigeverlust in der Öffentlichkeit. Eine minoritäre Allianz beginnt mit der Wahrnehmung der Gemeinsamkeiten eigener Anliegen mit jenen anderer Minderheiten, geht über die Koordinierung ähnlicher Bemühungen in temporäre, strategiebezogene Zusammenkünfte. Gemeinsames Auftreten verstärkt jede einzelne Gruppe der Allianz“.
Das schrieb Hakan Gürses schon im Jahr 1994. Einleitend zu unserem Themenschwerpunkt setzt er sich mit den alten und neuen Minderheiten auseinander und weist erneut auf die Notwendigkeit der Allianzenbildung hin.
Der Menschenrechtler Philipp Sonderegger erinnert sich an den Höhenflug der antirassistischen Bewegung in Österreich Anfang der 2000er Jahre – dank der Bildung von Allianzen über ethnische Grenzen hinaus.
Marty Huber, Mitbegründer_in von Queer Base, diskutiert die Notwendigkeit von Allianzen innerhalb der Queer-Community und mit Flüchtlingen, die aufgrund ihrer Sexualität oder Geschlechtsidentität verfolgt wurden.
Wie schwierig es war und wie es dennoch gelang: Die Politikwissenschaftlerin Erika Thurner schreibt über die Allianzen und Solidarität unter den Überlebenden des Nationalsozialismus.
In einem Beitrag über österreichische Grenzen hinaus befasst sich der Kunsthistoriker Christian Kravagna mit der Allianz zwischen afroamerikanischen und jüdischen Akteur_innen aus Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und Politik in der Zeit der sogenannten Harlem Renaissance.
Das Transparent des österreichisch-türkischen Freundschaftsvereins auf einem 1987 entstandenen Demonstrationsfoto brachte Vida Bakondy zum Staunen. Ihre Recherche für die Spurensicherung führte sie zu einer ungewöhnlichen Allianz.
Erwin Riess lässt nicht nur Groll und den Dozenten zu Allianzen diskutieren. Er verfasste auch einen ungewöhnlichen Nachruf auf den sozialkritischen Liedermacher Sigi Maron.
Noch bis 22. Jänner 2017 zeigt das Wien Museum die Ausstellung „Sex in Wien“. Jessica Beer sprach mit dem Co-Kurator Andreas Brunner über Voyeurismus, Populismus und Subversion.
In der Radio-Stimme-Nachlese geht Zsaklin Diana Macumba der verdrängten Geschichte der sogenannten Besatzungskinder in Österreich nach.
„Vielfalt, I like“ heißt eine Filmdokumentation über das diversitätsbewusste Leben an einer Neuen Mittelschule in Kärnten. Irene Cennamo hat sie für die STIMME besprochen
100 Ausgaben der STIMME in 25 Jahren heißt auch die Allianz von weit über hundert Menschen. Wir haben einen Bruchteil der Gründungs- und Vorstandsmitglieder, Redakteur_innen und Gestalter_innen, Projekt- und Büromitarbeiter_innen in diesem Jubiläumsheft ins Bild gerückt. Wir waren und sind zweifellos viel mehr, als wir hier abbilden konnten: Allen gilt unser herzlicher Dank.
Ebenso bedanken wir uns bei allen Fördergeber_innen, die uns in den vergangenen 25 Jahren unterstützt haben.
Und nicht zuletzt Ihnen, liebe Leser_innen, danken für die Begleitung der STIMME über all die Jahre und hoffen, dass sie uns auch in der Zukunft treu bleiben!
Viel Solidarität im farbenfrohen Herbst wünscht,
Gamze Ongan, Chefredakteurin