#62/2007 Chancengleichheit
Die EU hat 2007 zum „Jahr der Chancengleichheit“ ausgerufen. Es handelt sich dabei um einen weiteren Schritt in der Antidiskriminierungs- und Gleichbehandlungspolitik der Union, die sie mit dem berühmten Artikel 13 des Amsterdamer Vertrag als eine der Kernkompetenzen übertragen bekommen hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Gemeinschaft den Mitgliedstaaten keine neuen rechtlichen Maßnahmen mehr vorschreiben, sondern neben der vollständigen Umsetzung bestehender Richtlinien nun mit dem besonderen Jahr den Anlass und die Mittel dafür geben wollte, im Rahmen einer Kampagne bewusstseinsbildende Maßnahmen zu treffen. Vor allem die Informierung der nationalen Öffentlichkeiten und der „betroffenen“ Gruppen über die Rechtslage stand dabei auf dem Plan.
Ob und wie die Mitgliedstaaten diesen Faden aufnehmen und tatsächlich auch weiter spannen werden, ist eine Frage, die erst gegen Ende des Jahres klar zu beantworten sein wird – ganz zu schweigen von der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Strategie der EU, mit dem mittlerweile berüchtigten Mittel des „besonderen Jahres“ den nach wie vor verbreitet vorhandenen Diskriminierungen vieler Gruppen entgegenzuwirken. Natürlich stellt sich auch die Frage, warum dafür gerade ein Titel wie das „Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle“ gewählt wurde (wobei das englische Wort „equal opportunities“ eindeutiger klingt als das deutsche Wort „Chancengleichheit“).
Der Schwerpunkt des vorliegenden STIMME-Heftes ist dem Thema gewidmet, das als „Chancengleichheit – auch für Minderheiten?“ umschrieben werden kann. Die Beiträge befassen sich – obwohl mit unterschiedlichem Fokus und aus verschiedenen Perspektiven analysierend – allesamt kritisch mit dem Begriff Chancengleichheit und spüren folgenden Fragen nach: Was bedeutet Chancengleichheit aus der Sicht der Angehörigen verschiedener Minderheiten? Welche Bereiche umfasst die Chancengleichheit? Welche Forderungen stellen Minderheiten in Österreich in Bezug auf die Chancengleichheit? Welche Strategien werden derzeit in der EU und in Österreich verfolgt, um Chancengleichheit für Minderheitenangehörige zu ermöglichen?
Hakan Gürses, Chefredakteur