#77/2010 Queere Identitäten
Die Tatsache, dass der Begriff Queer insbesondere im deutschen Sprachraum meistens als Synonym zu lesbisch, schwul oder transgender gebraucht wird ist zwar nicht korrekt, aber nicht weiter problematisch. In der US-amerikanischen Umgangssprache etwa steht Queer als Schimpfwort für Homosexuelle, die „falsch“ seien im Gegensatz zur straight world, der Welt der „richtigen“ Frauen und Männer.
Der STIMME-Themenschwerpunkt widmet sich dem Begriff Queer als Bezeichnung für eine politische Bewegung sowie für die einzelnen Personen, die dieser Bewegung angehören. Verbindend ist dabei die Forderung nach der Auflösung des Zwangs zur Heteronormativität und nach der Möglichkeit, das Leben mit unterschiedlichen Vorstellungen, sexuellen Identitäten und Geschlechtsidentitäten in Frieden leben zu können. Vlatka Frketić stellt sich der nicht einfachen Aufgabe, einen erklärenden Text zu Begriffen, Konzepten und Lebensentwürfen von homosexuell bis zu queer zu verfassen. Ausgehend von Judith Butlers Forderung, queere Politik als Bündnispolitik zu verstehen, die ihre Kritik an Homo- und Transphobie mit einer Kritik an Rassismus zusammen denkt, plädiert Nadja Schefzig für minoritäre Allianzen, wenn es um politische Forderungen hinsichtlich der Minderheitenrechte geht. Georgie Gruber und Dominika Krejs von der Gruppe Queers on Wheels thematisieren in ihren Beiträgen Mehrfachzugehörigkeiten und diskutieren die oft nicht erkannten exkludierenden Mechanismen in minorisierten communities. LESBEN und SCHWULE kommen in die SCHULE lautet der Slogan des seit 2003 bestehenden Projekts der Homosexuellen Initiative Wien. Doris Hauberger und Helga Pankratz stellen Peer ConneXion vor. Einen Überblick über Wiens Lesbisch-Schwule Clubszene und ihrer „all genders welcome“-Politik liefert Silke Graf. Im Interview mit der STIMME erzählt der transidente Künstler und Universitätsprofessor Hans Scheirl , der seit 2006 die Klasse für Kontextuelle Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien leitet, von seiner künstlerischen Arbeit und lehrenden Tätigkeit. Im Zuge dieses Interviews entstand auch die Kooperation für das Mittelposter. Unter dem Titel „Wollen vs. Dürfen“ wurde dieses von Studierenden des Ordinariats für Kontextuelle Malerei an der Akademie der bildenden Künste gestaltet. Zum Thema Queer Refugees, – Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität flüchten müssen – und zu der betreffenden Asylpolitik der deutschsprachigen Länder empfehlen wir die Lektüre des Themenschwerpunkts „Queer with(out) Borders“, ein Gemeinschaftsprojekt des online-Magazin Migrazine und des feministischen Frauenmagazins an.schläge , erschienen im Oktober 2010. Der aktuelle Fall der Wiener Familie mit dem autistischen Sohn, die in vergangenen Monaten beinahe in die Obdachlosigkeit entlassen worden wäre, findet sich in der Kolumne GROLL von Erwin Riess wieder. Im November präsentierte die Initiative Minderheiten die Ergebnisse des mehrjährigen Projekts „Viel Glück! Migration heute “. Neben dem gleichnamigen Sammelband enstanden auch zwei Ausstellungen. Nora Sternfeld und Hande Sağlam besprechen für die STIMME die Kunstausstellung „Living Across – Spaces of Migration “ und die dokumentarische Musikausstellung „Grenzpegel – Kreativität und Kontroversen migrantischer Musikszenen “. Zur Bebilderung des Themenschwerpunkts Queere Identitäten stellte Sabine Schwaighofer ihre Fotos aus der Serie „Zuschreibungen“ aus dem Jahr 1999 zur Verfügung. Abschließend einen ganz besonderen Dank an Sushila Mesquita, Sabine Schwaighofer und Helga Pankratz für ihre Unterstützung bei der Konzeption dieser Ausgabe.
Gamze Ongan, Chefredakteurin