#84/2012 Zeit zu handeln – Roma Inklusion
Im Juni 2011 beschloss die Europäische Kommission die Rahmenstrategie zur Verbesserung der Lage von rund zehn bis zwölf Millionen in Europa lebenden Roma. Die EU-Mitgliedstaaten wurden verpflichtet, jeweils eine nationale Roma-Strategie vorzulegen, in der sie darlegen, wie die festgelegten Ziele bis 2020 erreicht werden sollen. Die Ziele zur Inklusion der Roma sollen die vier Kernbereiche Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und Wohnverhältnisse abdecken. Ausdrücklich erwünscht seitens der Kommission ist die aktive Einbeziehung der Roma-Organisationen in die Planung.
Für die Herbstausgabe der Stimme haben wir unsere Autorinnen und Autoren gebeten, den EU-Beschluss sowie die Reaktionen der Mitgliedländer darauf einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.
„Eine Geschichte von Faszination und Verachtung“ lautet der Untertitel zum Buch des Literaturwissenschaftlers Klaus Michael Bogdal „Europa erfindet die Zigeuner“ (Suhrkamp 2011). Bogdal analysiert literarische Zeugnisse aus vergangenen 600 Jahren unter dem Gesichtspunkt, wie Angehörige der Roma dargestellt und beschrieben werden: Verachtung, Vorbehalte, offene Feindschaft. Antiziganismus als konstitutiver Teil der europäischen Geschichte.
Antiziganismus bzw. dessen Nicht-Berücksich-tigung steht auch im Mittelpunkt der Kritik an den Strategiepapieren. In seinem europaweiten Vergleich nationaler Roma-Strategien vermisst Gernot Haupt die Erkenntnis, dass die vordergründige Aufgabe darin besteht, die antiziganistischen Einstellungen der Dominanzgesellschaft zu verändern.
?aklina Radosavljević erzählt im Interview mit Nadine Papai von ihrem persönlichen Bildungsweg und ihrem Bildungsprojekt für Romnja „Power Źuvlja“. Gilda-Nancy Horvath plädiert in Ihrem Essay für mehr Selbstbewusstsein und für ein Miteinander einzelner erfolgreicher Projekte der Roma Community.
Die Lieder der Romagruppe Lovara zählen seit 2011 zum offiziellen immatierellen Kulturerbe Österreichs. Ursula Hemetek diskutiert die Vor- und Nachteile einer Aufnahme in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes für verschiedene Minderheitengruppen. Am 7. Oktober 2012 fand der zweite europaweite Roma-Pride-Day statt. Wir drucken das von Aktivisten und Aktivistinnen aus 27 Ländern unterschriebene Manifest ab.
Die Stimme-Interviewserie zum 50-jährigen Jubiläum des Beginns der staatlich regulierten Arbeitsmigration nach Österreich führen wir mit dem Gastronomen Srećko Gelić fort. Emina Adamović sprach mit dem überzeugten Österreicher, der seit 31 Jahren im Land lebt.
Migration und MigrantInnen haben bis heute keinen Platz in der österreichischen Geschichtsschreibung. Arif Akkılıç und Ljubomir Bratić plädieren in einem Aufruf für ein Archiv der Migration.
Stellen Sie sich vor, in ihrem Flug sitzt eine „abzuschiebende“ Person in Begleitung von Polizisten. Was würden Sie tun bzw. würden Sie überhaupt etwas tun? In der Radio Stimme-Nachlese erzählt Cornelia Bruell, wie sie gehandelt hat und wie sie beim nächsten Mal handeln würde.
In eigener Sache
Die Initiative Minderheiten arbeitet derzeit gemeinsam mit dem Romano Centro an einer Ausstellung über die Geschichte und Gegenwart der Roma in Österreich. „Romane Thana / Orte der Roma“ wird 2014 im Wien Museum am Karlsplatz und im Landesmuseum Burgenland in Eisenstadt zu sehen sein.
Der Inter-Culture Club, Benefizkonzert und Party für die Initiative Minderheiten, wird am 17. November 2012 zum sechsten Mal im Ost-Club stattfinden. Diesmal mit der Rapperin EsRaP, der Jazzsängerin Maja Osojnik & Band, dem Duo Mika Vember & Martti Winkler sowie der Band Moša Šišič & the Gypsy Express. Zum Tanzen laden Dj’s mäxmara sowie vina yun & sissyboy auf 2 floors ein. Wir freuen uns auf den Besuch vieler Leserinnen und Leser!
Eine informative Lektüre wünscht
Gamze Ongan | Chefredakteurin