#94/2015 Bildpolitiken
Was wir sehen, glauben wir eher als das, was wir hören und lesen. Bilder können „bezeugen“, genauso wie sie auch lügen können. Und das nicht erst seit der Entstehung der perfekten Bildmanipulationstechniken. Die Entscheidung, was und wer ins Bild gesetzt wird; wie und in welchem Kontext das geschieht; und was und wer hingegen ausgelassen wird, kann schon die Realität verzerren.
Während politisches Handeln oft durch inszenierte Darstellung ins rechte Bild gesetzt wird, werden Taten ausgeführt, nur um eindrucksvolle Bilder zu erzeugen, die wiederum Handlungen auslösen. Unser Frühjahrsheft handelt von der Rolle der Bilder in der Gesellschaft, in der Politik und in der kulturellen Erinnerung.
Die Black Austrians intervenierten zwischen den Jahren 2006 und 2012 mehrfach gegen die gängige visuelle Darstellung Schwarzer Menschen in Österreich. Wir baten simon INOU, diese Kampagnen für die Stimme zusammenzufassen.
Die Regisseurin Cana Bilir-Meier machte einen Film über ihre Tante Semra Ertan, die sich 1982 in Hamburg öffentlich verbrannte, um ein Zeichen gegen den Rassismus in Deutschland zu setzen. Für ihre Dokumentation griff sie auf das Archiv von Semra Ertan und die medialen Bilder der Zeit zurück. Sie schildert den Entstehungsprozess ihres Films.
Ein Wandbild in Berlin, aus dem das Landeskriminalamt einen Satz entfernt, Bilder, die Menschen vor sich her tragen und der Kampf eines Vaters um die Umbenennung einer Straße. Ayşe Güleç beschäftigt sich mit Bild- und Raumpolitiken in der Migrationsgesellschaft im Zusammenhang mit den sogenannten NSU-Morden in Deutschland.
Ida Divinzenz und Julia Wiegele präsentieren zwei Videospiele als Best-Practice-Beispiele der visuellen Darstellung von Flucht und Flüchtlingen.
An dieser Stelle einen herzlichen Dank an Johanna Schaffer für die Textauswahl und die Übersetzung (mit Dagmar Fink) aus „The Right to Look. A Counterhistory of Visuality“ von Nicholas Mirzoeff und für ihre visuelle Kuratierung durch die Vermittlung einer Illustration der Künstlerin Evelyn Wangui.
Auch in der Kolumne Spurensicherung geht es um Bilder, konkret um ein Fotoalbum aus der Hinterlassenschaft von Fritzi Löwy, gefeierter Schwimmstar des S.C. Hakoah Wien in den 1920er und 1930er Jahren. Vida Bakondy geht der vielschichtigen Erzählung hinter den eingeklebten Postkarten und Fotos nach.
Am 4. Februar jährte sich der Rohrbombenanschlag auf Roma in Oberwart zum 20. Mal. In der Nachlese bringen wir zwei Beiträge zu diesem Anlass: Elisabeth Günther sprach für Radio Stimme mit Andreas Peham vom „Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands“ und Michael Genner von „Asyl in Not“ über die Verstrickung von rassistischer Politik und rechtsextrem motivierten Terroranschlägen.
Petra Permesser wirft einen kritischen Blick auf die Berichterstattung und die Gedenkveranstaltungen rund um den 20. Jahrestag des Attentats.
In eigener Sache
Die von der Initiative Minderheiten initiierte und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie des Bundesministeriums für Bildung und Frauen geförderte Roma-Bildungs- und Ausbildungsstudie (ROMBAS 2013-14) wurde am 25. Februar 2015 im Rahmen der 13. Roma-Dialogplattform im Bundeskanzleramt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Die Studie ist auf unserer Homepage abrufbar: Studie.pdf.
Die Ausstellung Romane Thana – Orte der Roma und Sinti, der wir unsere letzte Ausgabe gewidmet haben, ist noch bis 17. Mai 2015 im Wien Museum zu sehen. Besonders aufmerksam machen möchten wir unsere Leserinnen und Leser auf das umfangreiche Begleitprogramm mit Stadtexpeditionen, Vorträgen, Diskussionsveranstaltungen, Konzerten sowie einer Präsentation von Kunsthandwerk. Veranstaltungen und Termine auf www.initiative.minderheiten.at.
Einen schönen Frühlingsbeginn mit anregender Lektüre wünscht
Gamze Ongan, Chefredakteurin