#114/2020 Ein gutes Leben für alle
Jenseits von Armut und Reichtum
Ein gutes Leben für alle
Wer arm ist, hat ein hohes Risiko, dauerhaft arm zu bleiben – Gleiches gilt übrigens auch für Reichtum. Damit dieser für die gesamte Gesellschaft beschämende Zustand nicht so bleibt, stellte die österreichische Armutskonferenz Ende 2019 zehn Forderungen an die damals noch künftige Regierung. Das Netzwerk, in dem über 40 Sozial- sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen vereint sind, hat unter anderem eine Anhebung des Existenzminimums auf die Armutsgefährdungsschwelle von1.259 Euro empfohlen sowie die gesetzliche Absicherung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Beeinträchtigungen, mehr finanzielle Mittel für Gewaltprävention und die Erhebung der Kinderrechtskonvention als Gesamtes in den Verfassungsrang gefordert. Genauso wichtig: die Forderung der Plattform „Sichtbar Werden“ nach Anerkennung und Wertschätzung der Armutsbetroffenen. Nicht Menschen sind sozial schwach, sondern ein Staat, der nicht hilft.
Einleitend in unser Schwerpunktthema Armut als komplexes soziales Phänomen setzt sich die Sozialwissenschaftlerin Michaela Moser – österreichische Armutskonferenz und europäisches Anti-Armutsnetzwerk EAPN – mit unterschiedlichen Armutsdefinitionen und dem Sinn der Armutsmessung auseinander.
Armut und Reichtum können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Julia Schönherr sprach mit dem Psychotherapeuten und Vermögensforscher Martin Schürz darüber, warum er den Begriff Überreichtum dem Reichtum vorzieht und warum dieser mit der Demokratie nicht vereinbar ist.
Soziale Scham ist die große Begleiterin von Armut. Und sie ist Folge des Blickes von anderen. Martin Schenk, Psychologe und Mitbegründer der Armutskonferenz analysiert die Folgen von Scham und plädiert für das Sichtbarwerden.
Wer von Armut betroffen ist, erfährt oft auch kulturelle und soziale Ausgrenzung. Romana Beer, Sprachwissenschaftlerin und Journalistin, fragte die Staatssekretärin für Kunst und Kultur Ulrike Lunacek zu ihren Plänen zur Förderung kultureller Teilhabe und zur sozialen Absicherung von Kulturschaffenden.
Die Soziolog*innen Barbara Rothmüller und Philipp Schnell beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit Ursachen und Folgen der Bildungsbenachteiligung von Kindern aus prekären Verhältnissen.
Georg Tillner, Historiker und ehemals Film- und Sozialwissenschaftler, ist seit über 20 Jahren in der Investmentbranche tätig. Wir haben ihn gebeten, Licht ins Dunkel des ethischen Investierens zu bringen. An dieser Stelle vorweggenommen: Es bedarf eines ständigen Lernens – nicht nur über das Investieren, sondern auch über Ethik.
Julianna Fehlinger und David Jelinek von der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer*innenvereinigung stellen als Gegenmodell zu den großen Ketten das Konzept des partizipativen Supermarkts vor – entstanden in Brooklyn/New York und bald auch in Wien.
An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an Michaela Moser für ihr umfangreiches Wissen, das sie uns für die Konzeption dieser Schwerpunktausgabe zur Verfügung gestellt hat. Die wichtigsten Daten und Fakten sowie Empfehlungen zu Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung finden Sie unter www.armutskonferenz.at.
Die medial geführte Schlacht rund um die Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke ist längst verstummt. Die (nicht erst mit Handke aufgetretene) Frage, ob das Werk vom moralischen Handeln der öffentlichen Person getrennt werden kann, bleibt. Hakan Gürses betrachtet beide Standpunkte, um sich neben Autorin* und Werk auf die Rolle der dritten Einheit, der Leserin*, zu konzentrieren.
Der Mediziner Werner Vogt wurde für sein Lebenswerk mit dem Menschenrechtspreis der Österreichischen Liga für Menschenrechte ausgezeichnet. Lesen Sie in diesem Heft die wunderbare Laudatio auf den „Wunderdoktor“ – von Erwin Riess.
Vanessa Spanbauer fehlten als Kind positive Role-Models. Heute ist die Journalistin und Historikerin auf dem besten Wege, selber ein Vorbild zu werden. Vorgestellt von Duygu Özkan in Kennengelernt.
Stimme im Sommer
Selbstbestimmt Leben! Anlässlich 100 Jahre Behindertenbewegung widmen wir die nächste Stimme der Geschichte der Ersten und Zweiten Behindertenbewegung in Österreich sowie der Aktualität von Behinderung(en). Die Sonderausgabe in redaktioneller Zusammenarbeit mit Volker Schönwiese, Petra Flieger und Angela Wegscheider erscheint in der zweiten Junihälfte.
Bleiben Sie kritisch und kommen Sie gut durch den Frühling.
Gamze Ongan, Chefredakteurin
Weitere Beiträge dieser Nummer:
Stimmlage: Niemandsland Exil – von Hakan Gürses
Groll: Der Salzburger Almkanal und eine Kehrtwende grüner Politik – von Erwin Riess
Nachlese: Wo drückt die Schulbank? – von Leyla Guliyeva
Lektüre: Rezensionen – von Louis Helga Hofbauer und Jo Schmeiser
Grafisches Konzept, Artdirektion & Illustrationen: fazzDesign (Fatih Aydoğdu) – fazz(at)fazz3.net
STIMME: Vierteljahrespublikation zu minderheitenspezifischen Schwerpunktthemen
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