#115/2020 100 Jahre Behindertenbewegung
Das erste Mal seit nahezu dreißig Jahren erscheint die Stimme im doppelten Umfang. Die Spezialausgabe anlässlich 100 Jahre Behindertenbewegung in Österreich entstand in redaktioneller Kooperation mit Volker Schönwiese, Petra Flieger und Angela Wegscheider sowie bidok – der digitalen Bibliothek zu Behinderung und Inklusion.
Die Beiträge widmen sich der Geschichte der Ersten und Zweiten Behindertenbewegung in Österreich und erforschen den Kampf für Selbstbestimmt Leben und Gleichstellung.
Wir beginnen mit einem Porträt über Siegfried Braun (von Angela Wegscheider und Volker Schönwiese) – zentraler Vertreter der ersten österreichischen Behindertenbewegung in den 1920er Jahren – ermordet 1944 in Auschwitz. Eine Langfassung dieser Erstveröffentlichung finden Sie hier und auf bidok.at.
Die beiden folgenden Texte befassen sich mit der Geschichte der Institutionalisierung behinderter Menschen sowie mit Zielen und Forderungen der Ersten österreichischen Krüppelarbeitsgemeinschaft in der Zwischenkriegszeit.
Die Geschichte der institutionellen Versorgung in Oberösterreich – von Angela Wegscheider
„Arbeit, nicht Siechenhaus!“ – von Volker Schönwiese
Auch wenn sich die Selbsthilfeverbände nach 1945 neu formierten, konnte die Kontinuität der Institutionalisierung erst mit der Entstehung der Selbstbestimmt Leben Bewegung ab den 1970er Jahren gebrochen werden – ein Beitrag, der die Strategien dieser hochpolitischen Graswurzel-Bewegung aufzeigt. Geschichte und Strategie der Selbstbestimmt Leben Bewegung – von Volker Schönwiese
Der Kampf der jungen Behindertenbewegung gegen Gewalt und Segregation in Heimen Anfang der 1980er Jahre wird am Beispiel der Proteste gegen die Missstände im Institut Hartheim illustriert. Die Behindertenhilfe als sozial- und wirtschaftspolitisch bedeutsamer Sektor und die Forderungen der Selbstbestimmt Leben Bewegung sind das Thema eines weiteren Beitrags.
Die Zustände im Institut Hartheim als Motivation für die junge Behindertenbewegung – von Angela Wegscheider
Österreich erntete wegen der fehlenden Interessensvertretungen von Frauen mit Behinderungen Kritik von der UNO. Wir berichten von zahlreichen Versuchen der Vernetzung, wiederholtem Scheitern – und neuer Hoffnung.
Wo bleibt die Vernetzung von Frauen mit Behinderungen? – von Petra Flieger
Etwas später als die Selbstbestimmt Leben Bewegung entwickelte sich die Bewegung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen: „People First“ oder „Mensch Zuerst“. Erfahren Sie mehr über die Forderungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten.
Mensch Zuerst – Selbstvertretung von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten – von Petra Flieger
Der aktuelle Kampf gegen die Institutionalisierung behinderter Menschen – von Petra Flieger
Die neu gestaltete Dauerausstellung in Schloss Hartheim trägt den Titel „Wert des Lebens“. Florian Schwanninger, Leiter des Lern- und Gedenkorts, führt durch die Ausstellung, die Fragen zu Behinderung, Sozialpolitik, Ethik, Medizin und Biotechnologie aufgreift.
Wert des Lebens – Der Umgang mit den „Unbrauchbaren“ – von Florian Schwanninger
Für das Dokumentations- und Forschungsprojekt „Geschichte der Behindertenbewegung in Österreich“ wurden Interviews mit Gründerinnen und Gründern der Selbstbestimmt Leben Bewegung geführt. Wir stellen sie mit jeweils einer prägnanten Passage aus den Gesprächen vor. Die gesamten Interviews sind auf bidok.at zu finden.
Behindertenpolitik aktuell – von Volker Schönwiese
In der Nachlese bespricht Stefan Schweigler eine Sendung anlässlich des Weltradiotages 2019: (Anti-)Diskriminierung von Gehörlosen und Schwerhörigen am Beispiel des „Hörfunks“.
Duygu Özkan schließlich porträtiert Monika Rauchberger, Aktivistin und Frontfrau der österreichischen People-First-Bewegung. „Ich habe mich selber auf den Weg gemacht“
An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an Volker Schönwiese, Petra Flieger und Angela Wegscheider für die Zurverfügungstellung ihrer überwältigenden Kompetenz und für die ausgezeichnete Zusammenarbeit.
Um über die gegenwärtige, unser ganzes Leben bestimmende Situation nicht schweigend hinwegzugehen, erlaube ich mir an dieser Stelle, meinen Kollegen Hakan Gürses zu zitieren: „Eine Pandemie ist keine Naturkatastrophe, sie ist hochpolitisch. Welche Maßnahmen wie viel Leben welcher Bevölkerungsschicht schützen können, ist keine humane Frage, sondern eine biopolitische. Wie hoch sich der Wert eines Lebens gegenüber dem wirtschaftlichen Überleben ausnimmt, ist keine ethische Frage, sondern eine ökonomiepolitische. Wenn der ganze Spuk einmal vorbei ist, wird alles so sein wie vorher, nur schlimmer“ (www.volkshilfe-wien.at).
Wir wünschen anregende Lektüre und laden Sie ein, für weitere umfassende Information zu unserem Schwerpunktthema bidok.at – die Webseite des Internetprojekts zu integrativer/inklusiver Pädagogik und Disability Studies – zu besuchen.
Bleiben wir wachsam und trotzdem voller Hoffnung auf eine demokratische und minderheitengerechte Gesellschaft.
Gamze Ongan, Chefredakteurin
Stimmlage: Nine-Eleven und Corona Krise – Hakan Gürses
Groll: Herr Braun und die zweite Welle – von Erwin Riess
Lektüre: Leseempfehlungen zur Geschichte von Selbstbestimmt Leben und zur Kultur des Schweigens – von Volker Schönwiese und Petra Flieger
Jahresabo: € 20,- // Zwei-Jahresabo: € 38,-
Abo International: € 30,- // Zwei-Jahresabo International: € 58,-
(Für Vereinsmitglieder kostenlos, Mitgliedschaft jährlich € 25,-)
Sie erreichen unser Aboservice unter: Ebru Uzun – abo(at)initiative.minderheiten.at
Bankverbindung:
Erste Bank
IBAN: AT60 2011 1838 2586 9200
BIC: GIBAATWWXXX