#104/2017 Minoritäre Bewegungen
Aktivist_innen aus unterschiedlichen minoritären Bewegungen ziehen Bilanz über ihre politische Arbeit. Sie erzählen von ihren langen Kämpfen gegen gesellschaftliche Benachteiligung und Fremdbestimmung sowie ihrem Ringen für gleiche Rechte. Stolz auf die Errungenschaften der Bewegung(en), analysieren sie die Ursachen für die Rückschläge – Perspektiven tun sich auf.
Einleitend zum Themenschwerpunkt arbeitet der Philosoph Hakan Gürses die Unterschiede zwischen der Politik des Klassenkampfes und der Politik der Minderheiten heraus und diagnostiziert die „Klassenvergessenheit“ der letzteren als Angelpunkt der Kritik.
Die Politikwissenschaftlerin Alexandra Weiss veranschaulicht anhand einer historischen Situierung, wie der Feminismus und die Frauenbewegung von ihren sozialistischen Bestandteilen abgetrennt und an neoliberale Politiken angepasst wurden. Wir können uns bei ihr Inspirationen für eine heutige feministische Bewegung holen.
Die 1990er Jahre markierten die Blütezeit der österreichischen Lesben- und Schwulenbewegung, das Bestreben nach Sichtbarkeit zeigte erste Erfolge. Virginia Hagn und Hannes Sulzenbacher vom Zentrum für schwul/lesbische Kultur und Geschichte zeichnen rückblickend die Meilensteine und Errungenschaften nach.
Erwin Riess, langjähriger Aktivist der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung, hat ausschließlich Rückschritte zu vermelden: Sein Befund über die Lage behinderter Menschen in Österreich ist vernichtend.
Die österreichische Migrationspolitik wird seit den 1990er Jahren zunehmend mit sprachpolitischen Maßnahmen verschränkt. Rubia Salgado, Erwachsenenbildnerin und Mitbegründerin der Selbstorganisation maiz und das kollektiv, ein Ort für kritische Bildungsarbeit, denken über Möglichkeiten des Widerstands nach.
Leah Carola Czollek, Leiterin des Institutes Social Justice und Diversity in Berlin, widmet sich in ihrem Beitrag dem getarnten Antisemitismus in linken und feministischen Kreisen. Ihre Ausgangspunkte sind die Boykott-Kampagne BDS gegen Israel sowie der sogenannte Pinkwashing-Vorwurf.
Die Neue Mittelschule in Österreich stellt sich der Herausforderung, unabhängig von ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen allen Schüler_innen die gleiche Teilhabe zu ermöglichen.
Tobias Buchner präsentiert die Ergebnisse eines Forschungsprojektes, in dessen Rahmen Schüler_innen der sogenannten Integrationsklassen befragt wurden.
Die Flucht und das Sterben auf der gefährlichen Mittelmeerroute dauern an, die zivile Seenotrettung sieht sich mit einer Diffamierungskampagne konfrontiert. Julia Hofbauer stellte die aktuellen Entwicklungen in der Radio-Stimme-Nachlese zusammen.
Ein verschwommenes Foto ist kein Erinnerungsstück, das man aufhebt. Eingebettet in eine Geschichte, der sämtliche Habseligkeiten abhandengekommen sind, kann es jedoch viel mehr erzählen als ganze unversehrte Fotoalben. Vida Bakondy schreibt in der Spurensicherung über die Vergänglichkeit des Glücks.
Wir produzieren dieses Heft in Zeiten des Wahlkampfes. Wenn es vor Ihnen liegt, ist die Wahl schon geschlagen. Noch mild oder schon kühl – einen inspirierenden Herbst mit guten Büchern und sehr guten Ideen für uns alle wünscht
Gamze Ongan, Chefredakteurin
Stimmlage von Hakan Gürses
Nachlese mit Beiträgen von Persson Perry Baumgartinger, Vlatka Frketić und Zsaklin Diana Macumba